Die ersten Wochen
- Jessica Scharl
- 13. Juli
- 6 Min. Lesezeit

Wir haben uns es schon ein wenig gemütlich gemacht, kaufen hier und da was für unsere Einrichtung (also wir = Jessy :D ). Die Hektik der ersten Tage verfliegt so langsam. Wir müssen es nach wie vor verdauen, dass wir jetzt wirklich in Kanada sind. Ein wenig stolz sind wir dann schon, wenn wir die Bilder so passieren lassen, wie alles mit einer abenteuerlichen Idee begonnen hat und man sich das jetzt anschaut. Dazu aber ein ander mal, wir haben hier schließlich einen sonnigen Tag vor uns, den wir während Lukas noch Urlaub hat gerne nutzen wollen.
Tiger!! Fabians derzeitiges Lieblingswort ist Programm. Calgary, hier besser bekannt als: „Cal-gree“ mach dich gefasst wir kommen. Die Anlaufstation No. 1, der Tierpark! Es ist Gott sei Dank noch nicht so viel los, dafür schon richtig heiß, als wir durch den ersten Teilbereich des Tierparks spazieren. Fabian hat bei so vielen unterschiedlichen Tieren eine Aufmerksamskeitsspanne wie eine läufige Hündin und somit wird auch das sonst so sichere marschieren oft zu einem Balanceakt zwischen stolpern und fremden Personen im letzten Moment ausweichen. Was er aber als Schleich-Tier-Spezialist schon perfekt beherrscht, die Kategorisierung in Mandal oder Weibal. Die geht wie folgt: Er geht auf ein Gehege zu, erspäht weit früher als Mama oder Papa das Tier oder die Tiere, zeigt drauf und sagt voller Inbrunst, „Papa“ oder „Mama“ um es als solches zu deklarieren. Nicht weiter tragisch, außer Fabian steht neben einer Familie bei den Schweinen und ruft voller Freude „Papa“ als er auf das dickste und größte Schwein zeigt :-D
Voller Freude besuchen wir die Bereiche Asien und die Steppe Afrikas, können Braun- und Schwarzbären erkennen und uns in der Mittagshitze mit einem kleinen Softeis erfrischen. Wirklich ein gelungener Tag.
Weiter geht’s am nächsten Morgen mit einem sehr wichtigen Thema: Wir wollen herausfinden, ob es die zukünftige Firma von Lukas überhaupt gibt. Also Internetseite, Chef und Sekretärin wissen wir, gibt es schon mal. Es gibt auch einen ehemaligen Mitarbeiter. Ziemlich solide Voraussetzungen – aber dennoch leicht zu fälschen. Wobei auf dem Work Permit ja auch Woodpecker steht, also muss es die Firma ja geben. Aber keiner von uns war bisher vor Ort. Wir fahren von Cochrane Richtung Berge, Exshaw das Ziel. Der Fahrtweg ist auf jeden Fall schon mal Top, vorbei an grünen Wiesen mit Kühen und Pferden, vorbei an Campingplätzen und dem Ghost Lake, durchs Indianerreservat (First Nation Reservat) und entlang des Bow Rivers durch Wälder, immer die majestätischen Rocky Mountains im Visier.
Nach ca 35 min erreichen wir Exshaw, dass eher einem kleinen Gewerbegebiet gleicht – große Zementfabrik, Schlosserei, Autowerkstatt und am Ende der Straße Woodpecker European Timberframing. Es gibt sie, wow, geil – life is good 😊 Wir werden sehr herzlich empfangen und Lindsey gibt gleich eine Führung, kurz darauf lernen wir auch Claudia kennen, die Lukas wirklich bei jeder Frage Rede und Antwort gestanden hat und ihm durch den Prozess der Arbeitserlaubnis etc. sehr durchgeholfen hat. Man, fühlt sich das irgendwie gut an. Lukas kann es kaum erwarten, wieder durchzustarten. Danach erkunden wir noch ein wenig das weitläufige Areal von Kananaskis Country und fahren wieder zurück.
Der weitere Stepp ist, für uns einen fahrbaren Untersatz zu finden. Wir haben den Mietwagen ja nur noch für die kommende Woche wo Lukas dann auch zum Arbeiten anfängt. Das geht hier leider nicht ganz so easy wie in Deutschland, da keine wirkliche Vergleichswebsite vorhanden ist. Zumindest wissen wir das zu der Zeit nicht. Also durchforsten wir systematisch jede Website der Autohäuser und zwielichtgen Jugo-Betrugo-Hinterhof-Autodandler jeglicher Nationalität und versuchen die eierlegende Wollmilchsau zu finden. Günstig, wenig Kilometer, fast neu, Scheckheft gepflegt und mind. 2 Jahre TÜV. Hat vor uns sicher noch keiner versucht. Kurz gesagt: Das gibt’s nicht. Es scheitert einfach daran, dass die hier in Kanada keinen TÜV haben und so wie manch Auto ausschaut auch keinen TÜV kennen…die gerissene Windschutzscheibe ist hier die Standardausrüstung, ebenso wie der von Rost weggefressene Kotflügel.
Naja aber auch so ein toller günstiger Wagen ist jetzt auch nicht wirklich dabei. Wir versuchen es bei einem der größeren Autohändler Albertas, dort haben wir auf der Website paar nette gefunden. Allerdings haben hier gefühlt alle Wägen unter 8.000 $ das Prädikat – mechanic Special – was zur Hölle das heißt, echt keinen blassen Schimmer, aber wir fragen nach. Das bedeutet, das Auto fährt nicht, hat ein Problem das keiner findet oder finden will und somit wird es einfach sau billig weiterverscherbelt, damit es irgendein Bastler/mechanic kauft. Bringt uns jetzt auch semi weiter, außer, dass wir diese Art definitiv ausschließen können, von uns hat ja keiner eine Lehre bei Happy Motors gemacht. Dann finden wir einen Lincoln, der uns zu sagt. Allrad und kleinerer SUV – weiß ja keiner wie das hier wird im Winter und wir wollen vorbereitet sein. Leider reicht unser, zu dem Zeitpunkt, vorhandenes Barvermögen nicht mehr aus, um das Auto zu kaufen – finanzieren ist, nach Auskunft von Mr. Finanzierung himself (geht es zumindest nach seinem Auftreten) leider gar nicht möglich, da wir kleinen Newcomer keinen financial background hier in Kanada haben. Da bringt uns das vorherige Leben in Deutschland auch nicht weiter. Punkt Ende Aus. Kein Auto für Familie Scharl.
Überraschend klingelt ein Tag später das Telefon, der Verkäufer meldet sich nochmal und hat ein wunderbares, bezahlbares Exemplar. Lukas ist so wie immer Autos und dessen Verkäufern sehr skeptisch gegenüber, aber Jessy gibt Gas, damit ist es besiegelt. Er wird Probe gefahren und kurz danach auch gekauft. Selbstverständlich nicht Bar, sondern mit Karte. Aber alles auf einmal, ohne Finanzierung. Puh. Nun gehört uns ein wunderschöner 2007er Toyota 4Runner 4WD, der noch ein wenig für uns aufgehübscht wird. Standesgemäß ist ein solider V8 mit 4,7L Hubraum verbaut. Spritverbrauch und Kilometerzähler lassen wir hier auf Anraten der Redaktion weg 😉

Und damit geht auch die Reise in die unbekannte Welt der Automobile Kanadas los und was wir alles dafür benötigen.
Zuerst brauchen wir eine Versicherung. Da wir ja Mitglieder bei der AMA (Alberta Motor Association) sind, gibt es für uns genau eine Anlaufstelle, wo die Beratung auch stimmt. Plot Twist: da haben wir das mit der langen Wartezeit für Jessys Führerschein noch nicht gewusst (Kleiner Spoiler am Rande: Nach 43 Tagen war dann auch der sehnsüchtig erwartete Führerschein da - Gut Ding will Weile haben oder so).
Wir wissen, dass wir Unterlagen aus Deutschland für die Versicherung mitbringen können, dies hat leider noch nicht geklappt und so müssen wir erstmal ohne auskommen. Es gibt unterschiedliche Kategorien und wir nehmen nach kurzem hin und her die günstigste, mit der wenigsten Abdeckung. Is ja eh schon ein Schnapper mit knapp 320 Dollar im Monat.
[Das Thema Autoversicherung wird noch in einem separaten Beitrag ausführlich durchgekaut, hier gibts noch mehr]

Registration – Nummernschild und ab die Post. Pustekuchen. Was wir nicht einkalkuliert haben, ist, dass das Auto nicht fertig ist, aber Lukas muss übermorgen in die Arbeit…zum Glück haben wir aber noch den Mietwagen bis Samstag (07.06). So kommt es auch. Lukas fährt die ersten Tage mit dem Mietwagen in die Arbeit, bevor uns das Auto sogar höchstpersönlich vom Verkäufer aus Calgary nach Cochrane geliefert wird. Auch nicht schlecht. Zumindest rechtzeitig, dass wir dann am Samstag den Pick Up wieder am Flughafen zurückgeben können, da die schöne Zeit mit ihm zu Ende neigt.
Ihr werdet euch sicher schon fragen, wo unser Container, den wir aus Deutschland haben schicken lassen, abgeblieben ist. Tatsächlich gibt bis Anfang der Woche (02.06.-08.06) keine Lebenszeichen von ihm, kein er hängt beim Zoll – kein er ist untergegangen – einfach nichts. Erst in der ersten Arbeitswoche, gibt es die Entwarnung, dass der Container da ist und wir doch so schnell wie möglich zum Zoll sollen, dass wir Bescheinigen, es ist alles unseres. Wir malen uns auf dem Weg dort hin die wildesten Szenarien aus, was uns beim Zoll erwartet. Dieser ist am Flughafen beheimatet und es ist alles so, wie man es aus den ganzen Filmen und Serien kennt. Ein kleiner Warteraum, mit hinter Glasscheiben sitzenden uniformierten Personal. Wir sind dran, Jessy hat die Spedition offiziell beauftragt und somit leitet sie das Gespräch. Sie händigt ihm ihren Pass aus, unseren Wohnnachweis und that´s it. Wir bekommen den Zettel, dass alles tutti ist. Fertig! Das ging aber schnell und einfach.
Am Ende der Woche, während Lukas schon in der Arbeit ist, wird uns dann endgültig der Container geliefert. Freundliches Personal lädt diesen auch komplett in unser Apartment. Zapzerap, alle Kartons sind noch verschlossen, also sind alle unsere Schätze und Habseligkeiten angekommen. (Hierbei gedenken wir unserem Messbecher, der den Spannungen nicht stand gehalten hat und Jessys FairyTail Tasse, die denn Griff abgegeben hat. Auch ein Teller ist unterwegs verendet - Hier bitte eine kurze Gedenkminute halten). Jippi.
So können sich Jessy und Fabian langsam ans ausräumen machen, damit das Wohnungspuzzle bis zum letzten Stein zusammengesetzt wird. DANKE!









































Kommentare